Auszug aus einem Interview mit Jue Salomo
Sie bewegen sich jenseits des bunten Trubels.
Nun ja, statt mich im „Zirkus“ zu zeigen, um der Masse zu gefallen, versuche ich, mich den Torheiten meiner Epoche zu entziehen.
Um im Sturm des Lebens in Ruhe ein Werk zu schaffen?
Ja, aber auch um mein Sein auf transzendente Momente zu richten. Man braucht einen wachen Geist, um die Sinnoffenbarung wahrzunehmen, die das schauende Bewusstsein erfahren kann.
Das klingt nach Lust an der Anschauung.
Die Kontemplation stellt die höchste und würdigste Lebensform dar, so wie die Betrachtung der Welt das Größte ist, was das Leben zu bieten hat. Für mich ist Kontemplation auch eine Form des Handelns. Betrachten bedeutet ja nicht nur, das Schauspiel der Dinge passiv hinzunehmen, sondern die Untersuchung der Realität, die sich nicht sogleich und von selbst erschließt. Wie erfahren wir sonst, dass alles mit allem zusammenhängt?
Mit ihren Sinnen nehmen Menschen die Dinge, so wie sie sind, niemals ganz wahr. Was sie sehen, ist somit nie die Wirklichkeit an sich. Nicht alle sind im selben Jetzt, auch wenn die materielle Welt kausal geschlossen ist.
Was meinen Sie mit kausal geschlossen?
Dass alle Ursachen Folgen und alle Folgen Ursachen haben.
Dieses Verlangen, die verborgenen Dinge zu erkennen, ist das auch eine Sehnsucht nach einer besseren Welt?
Mir geistige Oasen zu schaffen, Arkadien nah zu sein, ist mir Bedürfnis. Und als Maler kommt man am Thema Schönheit ohnehin nicht vorbei.
Gibt es eine Renaissance des Schönen?
Das Schöne war nie weg. In Zeiten der Massenzivilisation hat es nur keine mediale Priorität. Wirkliche Schönheit ist ja auch etwas ganz Seltenes.
Ist Schönheit ein Maßstab für die Betrachtung von Kunst?
Maßstab für das Kunsterleben ist das menschliche Gefühl. Aber auch Wissen. Das Prinzip von Geistestätigkeit ist wesentliche Voraussetzung für das Erfahren von Kunst. Wer über das richtige Wissen verfügt, erfährt mehr. Und die seelische Entwicklung ist Schlüssel für eine tiefere Wirkung, denn am Vorgang des Sehens ist immer auch die eigene Erkenntnis beteiligt. Alle erfahrbaren Gegebenheiten sind der eigene Geist und der Schlüssel, um die Kraft der Malerei und die Verwandlung des Üblichen in das Schöne zu erfahren.
Für mich war Kunsterleben von früh an Eintauchen in arkadisches Wohlbefinden.
Dient die bildende Kunst der Erkenntnis?
Sicher auch. Aber wenn wir im Wald des Wissens ein wenig vom Baum der Erkenntnis naschen möchten, ist Lesen einer der augenöffnendsten Vorgänge, die es im Leben gibt. Diesbezüglich besser als Gespräche. Selbst wenn man klug miteinander redet, ist es meist ein Aneinandervorbeireden. Der Wille, konsistent zu sein, ist vielen Gesprächspartnern nicht gegeben. Tiefe Wahrheiten werden selten mittels gemeinschaftlichen Denkens, im Dialog, gefunden.
Gibt es ein Buch, das Sie augenöffnend und nachhaltig geprägt hat?
Ich habe mich diesbezüglich noch nicht ausgelotet. Bücher und ihre Autoren sind mir geistige Freunde. Arthur Schopenhauer mit seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“ ist so ein Freund. Ich möchte aber noch einmal auf Ihre Frage zurückkommen, ob Kunst der Erkenntnis dient. Kunstwerke geben dem Leben Bedeutung. Wie beglückend ist doch die Freude der Anschauung, die aus der Wechselwirkung zwischen Werk und Betrachter entstehen kann.
Was die Griechen „Kairos“, den besonderen, glückhaften Augenblick nannten?
Ja, ein intensiver Erkenntnisgenuss, gepaart mit der Freude über schöne Götterfunken und wo Bedeutung Sinn ist.
Und wo die Kunst den Sinn verloren hat …
… hat sie versagt. Menschen sind sinngebende Lebewesen. Etwas anderes als Sinn zu schaffen, ist Unsinn.
Ihre Bilder zeigen eine sinnlichkeitsbetonte Malerei, die Kraft und Ästhetik entfaltet. Woraus schöpfen Sie?
Quelle des Schöpferischen ist die Imagination. Ich verarbeite aber auch meine Erinnerungen. Ich nutze sie als Material. Die Rückbesinnung auf Vergangenes hat in meiner Malerei vitale Bedeutung. Die Vergangenheit bietet mir Haltepunkte. Vieles in meiner Malerei ist …
… autobiographisch?
Ja.
Haben Sie ein zentrales Thema und fühlen Sie sich einer Richtung verpflichtet?
Es gibt Faszinationen, aber keine Festlegung.
Meine Phantasie – oder besser: mein Geist – ist ein „Gemischtwarenlager“, aus dem ich mich nach Gusto bediene. Einer Stilrichtung fühle ich mich nicht verpflichtet. Jeder Stil gehorcht Prinzipien und ich habe kein Bedürfnis, Prinzipien, zu gehorchen und das Spektrum meiner Möglichkeiten zu begrenzen. Gleichwohl knüpfe ich aber an Bildwelten aus Gegenwart und Vergangenheit an und bewege mich in der Kombination aus Tradition und Moderne, aber interessiere mich nicht für schwarze Diamanten. Ich habe auch nicht den Antrieb, neue Ausdrucksformen zu schaffen. Ich male, wie ich die Motive sehen möchte, und schöpfe dabei aus meiner inneren Befindlichkeit, verändere Sichtweisen und Perspektiven nach „Lust und Laune“. Was ich mache, ist l’art pour l’art.
Sind Sie ehrgeizig?
Erfolg zu haben ist mir nicht so wichtig. Ich bin lieber der Betrachtende, der sich aus der Welt des Handelns verabschiedet hat.
Und das Publikum?
Das Werkgelingen ist mir ein viel tieferer und fruchtbarerer Akt als seine Mitteilung.
Das klingt nach Verachtung der großen Masse.
Das liegt mir fern. Ich will auch nicht polemisieren, und wer den „großen Haufen“ verachtet, muss dabei nicht inhuman sein. Die Anzahl der Menschen, für die Kunst ein tiefes Anliegen ist, ist sehr klein. Kunst wird immer von einer Minderheit gestiftet, und wenige haben Interesse, sich auf Kunst einzulassen. Und noch weniger Zeitgenossen haben die Bildung, um Kunst zu erkennen. Es gibt Menschen, die können, wenn überhaupt, nur schlicht denken. Das muss man akzeptieren. Das unaufhebbare Nichtbescheidwissen der Mehrheit ist keine Chimäre.
Ist das nicht voreingenommen und elitär gedacht?
Das Weltbild der Kunst ist elitär, und unser Denken ist geprägt von vielen Irrtümern.
Welche Beziehung haben Sie zu Ihren Bildern, und wie spiegelt Ihr Werk Sie als Person?
Meine Zeichnungen und meine Gemälde sind sicher auch Teil von mir. Ob ihre Gesamtheit den Maler Jue Salomo ausmacht? … Ich weiß es nicht. Meine Empfindung ihnen gegenüber ist die eines Vaters zu seinen Kindern. Spätestens nach Vollendung sind sie eigenständig, autonom und führen ihr eigenes, von mir unabhängiges Leben. Was mir bleibt, ist der Augenblick der stillen Freude, in dem ich glaube, das Richtige getroffen zu haben.
Die Fragen stellte: Anna Abassy