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Ich male intuitiv (Interview)

Was treibt Sie an, wenn Sie malen?

Ich betrachte meine Arbeit als Suche nach einer höheren Moral. Die Malerei und die Auseinandersetzung mit Kunst ermöglichen mir eine andere Sicht auf die Dinge. Eine Sicht, die mir größere Nähe zu den Dingen der Welt gibt.

Wann haben Sie angefangen zu malen?

Der Beweggrund Kunst entstand in sehr jungen Jahren. 1965 wußte ich, daß  ich Maler werden wollte. Aus dieser Zeit (1965/ 66) stammen auch meine ersten ernst zu nehmenden Arbeiten.

Ihr malerisches Werk ist nicht leicht zu erschließen, zeigt aber bei intensiver Auseinandersetzung Reife, intellektuelle Vielfalt und Tiefe.

Danke. Gelegentlich glaube ich das auch.

Nur gelegentlich?

Der Blick vom Eiffelturm hat einen großen Nachteil: Man sieht den Eiffelturm so schlecht.

Sie entziehen sich bisher der Wahrnehmung eines größeren Publikums. Warum?

Wertschätzung, offizielle Anerkennung des Publikums waren für mich nie vorrangiges Ziel. Es geht mir mehr um die Annäherung an den Sinn.

Soll dieser Sinn auch in Ihrer Malerei sichtbar werden?

Nein, nicht unbedingt. Wenn ich male, habe ich nichts anderes im Sinn, als zu zeigen, was ich gefunden habe, und nicht, was ich suche.

Erklären Ihre Bilder auch das, was sie zeigen?

Ein Bild ist nicht dazu da zu erklären, sondern um in der Seele des Betrachters ein Gefühl zu erwecken. Für mich spricht das Bild selbst, und es bekommt Leben durch den Menschen, der es betrachtet. Das, was am Kunstwerk erklärbar ist, ist wenig, das Wesentliche an ihm ist nicht erklärbar, sondern allein schaubar.

Ihre Bilder erzählen aber auch eine Geschichte?

Natürlich. Jedes Motiv hat neben seiner optischen Präsenz auch ein narratives Element. Aber Form und Farbe wirken zunächst emotional und spontan, während die narrative Wirkung in ihrer Tiefe abhängig ist vom Wissen und Erkenntniszustand des Betrachters.

Das Stichwort Erkenntnis führt mich auf eine andere Facette Ihrer Vita. Sie haben Buddhismuswissenschaft studiert und sich wissenschaftlich mit Erkenntnistheorie  auseinandergesetzt.

Ja, das war sehr interessant. Während des Studiums habe ich u.a. Vorlesungen über „Erkenntnistheorie im Buddhismus“ gehört. Ich hatte auch das Glück, Hochschullehrer aus der Riege der international renommierten Buddhologen zu hören.

Ich möchte noch einen anderen Punkt Ihrer Vita ansprechen. Bevor Sie freischaffender Maler wurden, waren Sie in leitender Stellung im Verlagsgeschäft.

Das ist richtig. Ich mußte trotz meiner frühen Beschäftigung mit der Malerei aus monetären Gründen beruflich zunächst andere Wege gehen.

Sie wurden Schriftsetzer und Verlagskaufmann.

Ja, und die Prägungen durch Typographie und das Verlagswesen waren fruchtbar.

Aber Ihr Ziel, Maler zu werden, verloren Sie nicht aus den Augen.

Doch. Eine Zeitlang dachte ich auch, ich möchte Verleger werden. Ich hatte nach zehnjähriger Erfahrung aber zunehmend das Gefühl, daß mein Tun einen anderen Sinn haben muß. Ökonomisches Denken wie auch Handeln waren mir zu wenig und letztlich auch inhuman, und ich kam so meinem Wunsch, nur noch freischaffend Bilder zu malen, wieder näher.

Ökonomie, Religion und Kunst sind also die rationalen Säulen, die Ihr Leben bestimmt haben.

Das sind die Felder, die ich bearbeitet habe, die Beruf und Studium bestimmt haben.

War es dann das Bedürfnis nach Sinn, das Sie wieder zur Malerei führte?

Nicht nur das Bedürfnis, sondern auch die Sehnsucht  nach Sinn und Transzendenz.

Sie sind also ein gläubiger Mensch. 

Ich möchte es gerne sein. Nach Gott fragen ist seit Jugendjahren eine wiederkehrende intellektuelle Auseinandersetzung. Das Numinose zieht an und die Neigung zu Weisheitslehren war früh gegeben. Es wäre auch ein Verlust, wenn man die Brücken, über die die Menschheit gegangen ist, nicht mehr erkennt.

Ist es nur eine intellektuelle Auseinandersetzung oder auch ein emotionales Empfinden?

Schon früh in meinem Leben war ich davon überzeugt, daß Liebe im universellen Sinne mehr mit der Ratio zu tun hat, als emotiv zu sein. Religiöses Empfinden, z.B. Beten, ist für mich eine rationale und weniger eine emotionale Angelegenheit.

Reflektieren Ihre Bilder religiöses und erkenntnisorientiertes Denken

Gedanken sind molekulare Manifestationen, die sicher auch auf meine Bilder ausstrahlen. Vielleicht  subtil, aber es gibt keine diesbezügliche und vorausgesetzte Absicht in meiner Malerei. Ich male ein Bild  um meiner selbst willen. Was die Dinge auf meinen Bildern bedeuten, ist mir beim Malen nicht bekannt. Andererseits sind viele meiner Bilder autobiografisch und ein Spaziergang durch mein Leben und ein ästhetischer Kommentar dessen, was ich sehe. Meine Farbtöne setze ich ohne einen vorgefaßten Plan. Ich male intuitiv und verlasse mich dabei nur auf die Erfahrung meiner Sinne. Das Schöne an der Malerei ist ja, daß man eine unsichtbare Welt zeigen kann. Ich habe nicht den Ehrgeiz, neue Ausdrucksformen zu schaffen. Ich versuche so zu malen, wie ich die Motive sehen möchte. Das ist von Motiv zu Motiv variabel. Die Sichtweisen ändern sich nach Lust und Laune. Wenn dann ein Bild gelingt, ist das tiefe Befriedigung und Freude. Mehr will ich nicht. Alles, was danach kommen kann, ist wieder irdisch und eitel, um es mit einem Wort aus der Bibel zu sagen.

Meinen Sie das „Alles Irdische ist eitel“ aus dem Hohelied Salomos?

Ja, aber aus dem Kapitel: Der Prediger Salomo.

Sie nennen sich als Maler Salomo, gibt es hier einen Zusammenhang?

Nein, ich beziehe mich namentlich auf meine Urgroßmutter Wilhelmine Salomo.

Sie malten in jungen Jahren abstrakt, später figurativ. Fühlen Sie sich einem Stil verpflichtet?

Ich halte mich nicht an eine bestimmte  Schule oder Richtung. Ich möchte mich, unabhängig von stilistischen Kriterien, in der Tradition europäischer Malerei bewegen. Mich auf die historische Fülle besinnen, beziehen, aus ihr schöpfen. Ich male für mich, und Formen zu kreieren ist mir eine freudige Befriedigung.

Sie gehören zu den Künstlern, die sich mit der kommerziellen Verwertung ihrer Arbeit schwertun, die am liebsten zu Lebzeiten nichts hergeben.

Ich will mein Werk möglichst zusammenhalten, und wenn es post mortem in eine Sammlung kommt und öffentlich wird, bin ich durchaus zufrieden. Zur Zeit halte ich wie ein guter Hirte meine Werke zusammen und gebe nur gelegentlich ein Bild an Sammler, die mich schätzen.

Sie sind Einzelgänger, wenn Sie nicht für den Kunstmarkt produzieren. Warum diese auferlegte Zurückhaltung?

Die Zurückhaltung ist nicht explizit auferlegt. Ich habe nur keine großen Ambitionen. Das Verständnis für Malerei ist selten. Nicht durch Arbeiten für den Nutzen, nicht durch Arbeiten für die Außenwelt, sondern durch das, was wir zu unserer Befriedigung arbeiten, schaffen wir etwas, durch das wir eine Entwicklungsstufe weiterkommen. In diesem Sinne war mir der Kunstmarkt nicht so wichtig. Es liegt mir auch nicht, mich pro domo um etwas zu bewerben.

Viele Ihrer Bilder zeigen Paris. Welche Bedeutung hat diese Stadt für Sie?

Paris ist ein Magnet. Hier bin ich gerne der Flaneur. Umgeben von der Dichte des urbanen Lebens. Die Sinnlichkeit der Stadt und die Vielfalt kultureller Zeugnisse genießend. Oft sind wir wenig kontemplativ und gehen an den Dingen vorbei, weil wir glauben, sie zu kennen. Wir nehmen nicht auf, und das vermeintlich Bekannte bleibt unbekannt und undurchschaut wie eh und je. Man braucht ein waches Auge, um das Glück der Ereignislosigkeit zu spüren. In Paris bin ich weniger an den Dingen vorbeigegangen. Und dann das besondere Licht, das nur Paris zu bieten hat: z.B. zartes Rosa über blaugrauen Dächern. Paris, aber auch die mediterranen Landschaften sind Sehnsuchtsorte. „Je suis en France“ zu sagen war immer Vergnügen.

Das läßt vermuten, daß Sie sich auch in Zukunft malerisch mit Paris beschäftigen.

Paris sans fin.

Gibt es ein Bild, von dem Sie sagen: „Das ist mein bestes“?

Jedes Bild ist neu und anders als die vorangegangenen und die noch zu malenden. Sie gehören zusammen wie die Glieder einer Kette. Meine besten Bilder sind die, die ich noch malen werde.